Sonntag, 13. April 2008

mit 210 russischen Pferden durch die Prärie

lange, lange ist es her. Nur selten sieht man den 1965 bei der Nationalen Volksarme der DDR eingeführten Hauber heute noch auf unseren Straßen. Weit entfremdet vom eigentlichen Nutzen, fungiert er heute als Liebhaberstück für Offroad-Safaris, oder als größeres Wohnmobil für Abenteuerreisen.
Ungefähr 40 Kilometer nördlich von Magdeburg liegt das kleine Dorf Mahlwinkel. In der knapp 650 Seelen-Gemeinde hat sich einiges getan. Außer dem restaurierten Dorfplatz mit einer sehr sehenswerten Kirche erinnert nicht mehr viel an längst vergangene Zeiten. Einziger Zeitzeuge ist die immer noch gut befahrbare Betonplattenstraße, die uns direkt in die Vergangenheit führte. Etwas außerhalb, in den Wäldern von Mahlwinkel, entstand in den fünfziger Jahren ein Militärflugplatz der Sowjetischen Streitkräfte. Gleich nach der Fertigstellung Ende 1956 war dies der Lebensort für 16.000 Menschen. Aus Platzgründen waren die Wohnungen sogar teilweise mit zwei Familien belegt. Neben der Militärbasis entstanden Einkaufsmöglichkeiten, sowie Erholungs- und Freizeitanlagen. Beim Fußballplatz angefangen bis hin zur Schwimmhalle, es sollte an nichts fehlen. Bis 1994 war die komplette Anlage besetzt.

Noch heute erzählt mein Vater die ein oder andere tolle Geschichte der damaligen Armeezeit. Besonders aber haben sich ihm Erlebnisse vom russischen Ural eingeprägt. Jedes mal aufs Neue schwärmt er während seiner Erzählungen von der einfachen, aber doch sehr robusten Technik. Um Ihm nach so vielen Jahren einen kleinen Rückblick zu verschaffen sind wir gestern zum oben beschriebenen Militärstützpunkt gefahren. Vor einigen Jahren wurde das Gelände an private Investoren verkauft. Unter anderem an die Firma Panzer-Power. Als Geburtstagsüberraschung genau das Richtige für unseren Vati :-)

Panzer-Power betreibt eine Fahrzeugflotte bestehend aus Fahrzeugen der damaligen NVA. Egal ob Panzer oder Lastkraftwagen, für jeden ist etwas dabei. Für uns vordergründig war aber der Ural 4320. Nach kurzer Einweisung und mit einem, erneut vollkommen faszinierten lächeln, fuhr mein Vati dann davon. Als wäre es alltäglich führte er den 8,7 Tonnen schweren Laster über die extrem unebene Fahrbahn. Ein extra angelegter und ca. 15 Hektar großer Parcur quer durch die Prärie, beansprucht durch unebenes Gelände nicht nur das Fahrzeug, sondern auch den Fahrer. Auch dem Beifahrer empfiehlt sich ein beherzter Griff an den Haltegriff der Tür! Mühelos gräbt sich der 210 PS starke V8 Diesel durch den weichen, sandigen Boden. Nach 3 Runden ist mein Vater dann abgestiegen. So technikbegeistert wie ich bin, konnte ich es mir nicht verkneifen selbst eine Runde mit dem sagen umworbenen LKW zu drehen. Also ich muss ganz ehrlich sagen, für meine erste Fahrt auf einem LKW war ich wirklich sehr zufrieden. Aber gut, wer Lokomotiven fahren kann, wird ja wohl auch so etwas hinbekommen. Da ich ab und zu sowjetische Großdiesellok der Baureihe 232 gefahren habe ist mir einiges sofort ins Auge gefallen. Der Großteil der auf dem Armaturenbrett des Ural verbauten Instrumente und Schalter waren wieder mal baugleich mit denen der Lok. Wie sollte es auch anders sein... Wo man bei uns auf teure Ersatzteile beim Händler zurückgreifen muss, dient in Russland der alte Ural zur Ersatzteilgewinnung der Lok, und diese nach ein paar Jahren als Ersatzteilspender für den Traktor im Nebendorf. Ach richtig, der Kapitän im Nachbarort brauch auch noch diverse Teile für seinen Kutter ...



Nach meiner Runde im Ural verstehe ich die grenzenlose Begeisterung meines Vatis. Selbst meine Mutti konnte nicht widerstehen und fuhr auch gleich problemlos noch eine Runde. Sogar mein Bruder wagte zum Schluss den Versuch. Als Beifahrer der Abschiedsrunde muss ich echt sagen, Respekt Bruderherz! Für die wenige Erfahrung im Umgang mit dem kleinen PKW, so eine große Bude fahren, wirklich eine große Leistung!

Doch nicht nur das Fahrerlebnis sondern auch mein erster Einblick in diese Technik war echt klasse. Während meiner Fahrt unterhielt ich mich mit der jungen Besitzerin (!) des LKW's, die vom scheinbar ansteckenden Ural-Fieber ihres Bruders nicht mehr wegkam. Seit nun schon 8 Jahren läuft dieser Laster ohne auch nur eine Panne. Eine kleine Dichtung im Kühlkreislauf musste mal erneuert werden. Aber außer Diesel und Öl wurde sonst nie etwas ergänzt oder gebaut, sagte sie. Alleine diese Daten unterstreichen die Erzählungen meines Vaters.

Vorbei an leer stehenden Kasernen und Hallen führte uns der Weg, knapp zwei Stunden später wieder zurück nach Mahlwinkel. Etwas seltsam fühlten sich die Sitzhöhe und das unwahrscheinlich kleine Lenkrad unseres Autos an. Der bemerkenswerte Zustand der alten Plattenstraße zeugt von russischer, unkaputtbarer Baukunst!

In Mahlwinkel angekommen, ging es bei schönstem Sonnenschein und vollster Zufriedenheit aller wieder zurück Richtung Heimat.

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